Donnerstag, 13. Juni 2013

Ey man, alles chef, alles def, alles routine.

2 Comments

Der Post meiner Schwester brachte mich irgendwie dazu, etwas genauer über meine Arbeit nachzudenken. Nicht, dass ich nie darüber nachdenken würde, ganz im Gegenteil. Aber drüber schreiben? Interessiert doch eh keinen, ist ja irgendwie alles irgendwann Routine.
Stimmt ja gar nich! Nee. Stimmt wirklich nich.

Erstmal: Ich bin die Bestimmerin.
Und die Spielverderberin. Ab und an bin ich eine böse Ines oder eine Scheiss-Ines. Kinder drohen mir damit, den Stuhl vollzuscheissen oder den Kindergarten kaputt zu machen. Manchmal drohen sie auch mit ihren Vätern. Die sind nämlich so stark, dass sie den Kindergarten hochheben können! Stärker noch als Pippi Langstrumpf! Ich wurde schon so oft abgeschossen oder kaputtgetreten und wenn die Kinder gross sind, dann bin ich ja sowieso schon tot. Oder eine ganz alte Oma.

Viel Zeit des Tages verbringe ich damit, Streitigkeiten zu schlichten. "Ich hatte aber den Laster zuerst", "der Jonathan hat mir den Baustein an den Kopf geworfen", " der Robert hat mich angespuckt", "Emilie weint", "Sophie tritt mich unterm Tisch" usw.
Ab und an fliegen Plastikstühle gegen Schlüsselbeine, Wackersteine über den Zaun in Nachbars Garten (und nur knapp an seinem Hund vorbei), Stöcke prallen gegen Wangenknochen oder verfehlen nur knapp das Auge, es wird nach feinster Art gekniffen, gebissen, geschubst, geboxt und provoziert, dass sich die Balken nicht nur biegen, sondern tatsächlich brechen.

Hier wird ein Hintern abgewischt, dort ein Spielzeug seinem rechtmäßigen Momentan-Besitzer wieder zurückargumentiert, dort eine Nase geputzt, eine Anwesenheitsliste ausgefüllt, Milch eingeschüttet, gleichzeitig Hannah auf der Hüfte bugsiert, die herzzerreissend nach ihrer Mama weint, während Lilly an meinem T-Shirt zieht und ungefähr 3487mal meinen Namen sagt, obwohl ich grad telefonisch das Mittagessen für den nächsten Tag bestelle, während ich Jonathan sage, er soll Lennert in Ruhe lassen und Luca davon abhalte, Emilie die Hose herunterzuziehen, denn Baby spielen wir dann doch lieber angezogen.
Ausserdem kommt grad Jasmin und die hat heut nacht so schlecht geschlafen, dass sie sich jetzt unbedingt nochmal ausruhen muss. Mein Blick huscht durch die Gruppe, auf der Suche nach einem Platz zum Ausruhen. Die Kuschelmatte in der Puppenecke wird von unseren Jungs als Trampolin benutzt, auf dem Bauteppich fliegen Holzbausteine umher, weil die großen Jungs ein Katapult gebaut haben und unterm Maltisch sitzt Tialda und verewigt sich auf dem Fußboden. Timos Mama möchte mir nun aber unbedingt mitteilen, dass er später von seinem Opa abgeholt wird, der wiederum nicht auf der Liste der abholberechtigten Personen steht. Tjoa, ähm. Ok, ich schreibs auf.
Hannah wird abgesetzt, das Püppi in ihren Arm gedrückt, der Kopf getätschelt, aufgeschrieben. Unterdessen kommt Gustav aus dem Bad, die Hose um die Knöchel baumelnd, ein Blatt Toilettenpapier mit einer braunen Spur darauf in der Hand. "Ich AA macht", verkündet er strahlend. Lilly will mir immer noch ganz dringend etwas sagen, Lenn hingegen hat kurzerhand die Milch auf dem Frühstückstisch verteilt und Luca hat gerade einen von den Katapult-Bausteinen ins Gesicht bekommen.
Oh Moment, da kommt Sarah, deren spezielles Mittagessen eigentlich ziemlich schnell in den Kühlschrank muss, ich muss mir aber noch die Instruktionen dazu anhören, denn Nudeln dürfen nicht länger als 7 Minuten gekocht werden und überhaupt, ist das Weiße da Nachtisch oder ist das Sauce zum Hauptgericht? Und wo ist überhaupt Hannah und was zum Teufel macht Gustav mit dem vollgekackten Klopapier in der Puppenecke?....


Ich gebs zu, ich hab es überzogen dargestellt. Aber manchmal, ganz manchmal, so etwa 1-2mal pro Woche kommt man sich wirklich vor, als sei man allein im Chaos und man versucht, zusammenzuhalten, was irgendwie zusammen hält. Wenn wir gut besetzt sind, dann ist alles kein Thema. Wenn ich aber mit 19 Kindern allein herumjongliere, dann ist es schon teilweise eine echte Herausforderung. Und Schadensbegrenzung. Schön ist es, wenn man mit 2 anderen Erzieherinnen (oder Praktikantinnen) in der Gruppe ist, die ihren Job mit Freude und Liebe leben. Ich behaupte einfach mal, dass man das muss, als Bestimmerin. Ohne ganz viel Herz und Seele, ohne ganz viel Gefühl und Mitgefühl und auch Feingefühl geht es nicht. Dann mutiert man zum schreienden Monster, zur verständnislosen, bösartigen Erzieherin. Ich hoffe, so werd ich nie.
Quelle:grusskartenkaufen.de
Und wenn diese Grundvorraussetzungen gegeben sind (die meiner Meinung nach jeder mitbringen sollte, der diesen Job gern gelernt hat und mit Leib und Seele umsetzen möchte), dann ist es wundervoll.
Es ist nie stressfrei und es ist seltenst leise und es vergeht auch kein Tag, an dem man nicht mal lauter werden muss oder eben die Spielverderberin sein muss.

Aber man ist noch so unendlich viel mehr.Man ist die, die die Tränen trocknet und die Wunden heilpustet oder mit Zauberpflaster verarztet. Die, die sogar das Glitzerpuder herausholt, weil manche Wunden wirklich nur damit wieder ganz heilen. Die, die dich in den Arm nimmt und nochmal richtig fest drückt, bevor du zur Musikschule gehst, vor der du ein bisschen Angst hast. Man ist die, die noch Kartoffelbrei aus der Küche mitbringt, obwohl es hiess, er sei längst alle. Und auch die, die immer ein selbsterfundenes Lied auf den Lippen hat, wenn man gerade ganz traurig ist und eigentlich nur weinen möchte. Irgendwie ist man auch die, die kurz vorm Einschlafen die schönsten Märchen vorliest und nochmal übers Haar streichelt und die Decke geradezieht, genau dann, wenn sie anfängt, zu ärgern. Man ist die, die die geflochtenen Zöpfe neu macht, und zwar fast so schön wie die Mama das am Morgen gemacht hat. Die, die den kaputten Laster wieder repariert. Die, die dich in den Arm nimmt, wenn du mal wieder zugeschlagen hast, obwohl du das doch nicht mehr machen wolltest. Die, die dich dann trotzdem lieb hat und nicht nur dann, wenn du dich gut benimmst. Die, die dich ausprobieren lässt und an dich glaubt, wenn du es selbst vielleicht nicht schaffst. Und überhaupt. Man hat schon ganz schön viele coole Aufgaben. Ich bin fast ein bisschen neidisch auf mich selbst, weil ich so toll bin. :D 

Mal ehrlich: Ich habe schon einen tollen Job. Mein Arbeitstag beginnt im Prinzip damit, dass mehrere Kinder freudig strahlend meinen Namen rufen und mir in die Arme (oder eher: um die Knie) fallen. Ja, das ist schön. Es ist ein tolles Gefühl. Ich mein, wer (ausser uns Bestimmern) wird von seinem Klientel so freundlich, so überschwänglich begrüsst, gedrückt und geherzt?
Ich stell mir grad vor, wie eine Kassiererin von ihren Kunden gedrückt wird. Oder mein Vater von seinen Auszubildenden. Oder eine Reinigungskraft von den Menschen, die über ihren frisch gewischten Boden laufen. Oder der freundliche Bankangestellte, der grinsend hinterm Schalter steht. Vielleicht sollte ich ihm beim nächsten Mal einfach um den Hals fallen. Vielleicht freut er sich ja.

Eins steht fest. Ich freu mich. Jeden Tag aufs Neue. Auf soviel Neues. :)
Quelle:http://file1.npage.de/008897/88/bilder/erzieherin1.jpg




2 Kommentare:

InsHerz 13. Juni 2013 um 21:30

Boah ich bin beeindruckt! Und ich hätte gerne mehr solcher Beiträge über deinen Alltag im Kindergarten und überhaupt... Ich habe so herzlich gelacht - die Bilder sind ja sowas von gut!!!

Echt herrlich, ich möchte unbedingt mehr davon. Und wow, du bist wirklich die beste Bestimmerin! Ich finde es so bemerkenswert, wie du das alles meisterst. Ich könnte das absolut nicht! Im Kindergarten geht es echt manchmal so derbe ab, ich ziehe immer und immer wieder meinen (imaginären) Hut vor dir! :) Und es ist großartig, wie du mit den Kindern umgehst - du bist dafür einfach wie gemacht, das passt zu dir, du gehst darin auf. Man merkt einfach, wie gerne du mit Kindern zusammen bist!

Wirklich toll! Ich komme aus dem "Loben" nicht mehr heraus. :D Wirklich schön! Und auch schön, dass ich dich dazu inspiriert habe (bin ich doch noch für was gut)... ;)

Katie 14. Juni 2013 um 10:30

Ich fands auch total toll zu lesen und auch ich würde gerne mehr aus dem Kindergarten-Alltag lesen.

Du hast sehr gut ausgedrückt (wie immer), wie toll dein Job ist, aber dass er auch anstrengend sein kann, aber ich glaube die Kinder geben einem so viel zurück. Und wie Melli glaube ich auch, dass du dafür gemacht bist und darin aufgehst und deinen Job total gut machst!

Also, ich würde gerne mehr davon lesen :)

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